Wimpernserum & Prostaglandin – die „ungeschminkte“ Wahrheit

Wimpernserum Prostaglandin

Seit einigen Jahren sind nunmehr Wimpernserum– und Augenbrauenserum-Produkte auf dem Markt. Und dies mit häufig sehr erfolgreichen Ergebnissen bei den Anwendern/innen.

Einige Produkte unter ihnen lassen die Wimpern und Brauen nachweislich zu einer beeindruckenden XXL-Länge anwachsen. Damit treffen die Seren den Trend der Zeit: weg von übermäßig getuschten Wimpern und gemalten Augenbrauenstrichen, hin zu einem Look, der aussieht, als sei er von der Natur geschenkt.

Inzwischen boomt der Markt für Wimpernseren. Immer wieder werden Produkte mit “verbesserter” Rezeptur geschaffen, die noch schnellere und bessere Ergebnisse versprechen. Während einige Produkte bereits für wenig Geld im Drogeriemarkt zu haben sind, müssen für andere mehr als 100 € berappt werden.

Im Vergleich kristallisiert sich heraus, dass der Erfolg der Wachstumsseren von einer besonderen Stoffgruppe abzuhängen scheint, nämlich von sogenannten Prostaglandin-Analoga.

Parallel dazu wird der Einsatz dieser Stoffe in Kosmetika unter Wissenschaftlern, Pharmakologen und Medizinern, ja selbst bei übergeordneten Behörden kritisch diskutiert.

Die Geburtsstunde des Wimpernserums

Die Entdeckung des Wimpernserums war eigentlich eine zufällig entdeckte Nebenwirkung von Augentropfen für Patienten mit Augenwinkelglaukom (grünem Star). Diese Tropfen verringerten nicht nur – wie vorgesehen – den Augeninnendruck, sondern ließen bei vielen Patienten auch die Wimpern länger, dunkler und dichter wachsen.

Man fand heraus, dass für diesen Wachstumseffekt Bimatoprost verantwortlich war, ein Prostaglandin-ähnlicher Stoff. Die Kosmetikindustrie reagierte schnell und öffnete den Markt der Wachstumsseren. Viele der heute erhältlichen, besonders erfolgreichen Wachstumsseren enthalten Prostaglandin-Analoga, die dem Bimatoprost ähnlich sind.

Dabei stellt sich die Frage: Behandeln wir also unsere gesunden Augen für die Schönheit unserer Wimpern mit einem Medikament?

Das beste Wimpernserum ohne Prostaglandin

EYECATCHA
Wimpernserum
 59,00  48,95

DIVADERME
Bond Serum Peptide
 64,00  54,00

Sind Prostaglandine Hormone?

Prostaglandine werden manchmal irrtümlicherweise als Hormone bezeichnet. Das sind sie nicht. Vielmehr stellen sie eine Gruppe von Gewebshormonen dar, die in fast allen Organen gebildet werden können. Ihre Funktion ist, Signale (sogenannte First Messenger), die von außen auf die Zelle treffen, innerhalb der Zelle weiterzuleiten (Second-Messenger). Sie sind sozusagen Teile einer Prozesskette, die sich im Mikrokosmos unseres Körpers abspielt.

Hormone dagegen transportieren Informationen über weite Strecken im Körper, haben also einen viel größeren Einfluss auf unseren Körper. Sie werden an zentralen Stellen (z.B. in der Nebenniere, Schilddrüse, Hirnanhangsdrüse) produziert und über die Blutbahn an den Zielort transportiert. Schilddrüsenhormone beeinflussen beispielsweise unser Wachstum, unseren Stoffwechsel, die Darmbewegung und sogar unsere Stimmung.

Was sind Prostaglandin-Analoga und -Derivate?

Die natürlichen Prostaglandine unseres Körpers werden aus gesunden, ungesättigten Fettsäuren, wie z.B. der Linolsäure gebildet. Grob gesagt, nehmen wir sie quasi mit der Nahrung auf. Diese Fettsäure-Moleküle werden in der äußeren Hülle (Membran) von Gewebezellen gespeichert, bis sie durch ein äußeres Signal innerhalb der Zellen zu Prostaglandinen umgewandelt werden.

In den Wimpernwachstums-Seren liegen die Prostaglandine dagegen in der Regel als Analoga oder Derivate vor. Das sind meist synthetisch (künstlich) hergestellte Stoffe, die die Wirkung der Prostaglandine imitieren (nachahmen). Im Vergleich zu den natürlichen Prostaglandinen, müssen die Analoga also im Körper nicht erst einen Umwandlungsprozess durchlaufen, um wirken zu können.

Wie erkennt man, ob ein Produkt Prostaglandine enthält?

Die Liste der Inhaltsstoffe eines Kosmetikums liest sich manchmal wie eine kuriose Fremdsprache. Trotzdem sind die Prostaglandin-Analoga relativ leicht anhand der Wortsilbe “prost” zu identifizieren. Sie verstecken sich beispielsweise unter den Namen:

• Methylamido-Dihydro-Noralfaprostal (MDN) (z.B. in M2 Lashes)
• Dechloro Dihydroxy Difluoro Ethylcloprostenolamid (z.B. in Realash, Revitalash)
• Isopropyl Cloprostenat (z.B. in Long Lashes, Mystic Lashes, Tolure Hairplus, Beautylines, Aphro Celina, Develle, Superlative Lash)

Aber auch folgende Wirkstoffe werden der Wirkstoffgruppe “Prostaglandine” zugeordnet:

Alprostadil, Misoprost, Iloprost, Latenoprost, Tafluprost, Travoprost, Norbimatoprost.

[4; 5]

Die Funktion von Prostaglandinen im Körper

So begrenzt ihr Wirkungskreis auch ist, die Funktionen der Prostaglandine sind sehr vielfältig, je nachdem, durch welches Signal sie aktiviert werden und in welchem Gewebe sie sich befinden. Ein kleiner Ausschnitt ihres Reaktionsspektrums ist:

  • das Anheben und Senken der Körpertemperatur (z.B. Fieber)
  • das Auslösen von Entzündungsreaktionendas Weiten, aber auch das Zusammenziehen von Blutgefäßen
  • das Zusammenziehen von Muskeln
  • die Blutverklumpung (Thrombozytenaggregation, z.B. zum Wundverschluss)

Da in unserem Körper keine Reaktion ohne Folgen bleibt, sind diejenigen, die durch die Prostaglandine ausgelöst werden, in aller Regel Teile einer ganzen Kette von Abläufen.

Beispielsweise bewirken sie in der Schnupfennase das Weiten der Blutgefäße in der Nasenschleimhaut. Dadurch wird vermehrt Schleim gebildet, der auch die Nebenhöhlen erreicht und dort zu einer Entzündungsreaktion führen kann, die dem Gehirn über die Nervenenden Schmerz signalisiert.

Die Prostaglandin-Analoga, die in den Wimpernseren enthalten sind, bewirken aller Wahrscheinlichkeit nach:

  • die Verlängerung der Wimpernwachstumsphase
  • die Erhöhung der Haarfollikelaktivität (Haarfollikel umhüllen die Haarwurzel)
  • feste Verankerung der Wimpern bzw. Augenbrauenhaare in der Haut
  • Verstärkung die Haarpigmentierung

Ob sie darüber hinaus auch Reaktionsketten mit nachhaltigen Folgen für den Körper auslösen, weiß man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

Wimpernwachstumsseren: Arzneimittel oder Kosmetika?

Beschränkt man die Funktion der Prostaglandin-Analoga auf das lokale Haarwachstum an der gewünschten Stelle, kann man ihnen eigentlich nur Gutes abgewinnen. Trotzdem gerät ihr Einsatz in den Wachstumsseren unter Wissenschaftlern und Mediziner zunehmend in die Kritik. Warum ist das so?

Der Grund liegt in der Gesetzeslage und den damit verbundenen Bedingungen, die ein Produkt vor der Vermarktung erfüllen muss.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) und das Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) z.B. sind sich nicht einig, ob Wachstumsseren mit Prostaglandin-Analoga nach unseren Gesetzen als Arzneimittel oder als Kosmetikum behandelt werden müssten.

Die Einordnung in die eine oder die andere Kategorie hängt generell davon ab, welche Inhaltsstoffe ein Produkt enthält, wie hoch die Konzentration der Stoffe ist und welches Ziel mit dem Präparat erreicht werden soll.

Bei Arzneimitteln muss die Wirksamkeit und Verträglichkeit durch umfassende klinische Studien mit einer Mindestanzahl an Patienten bewiesen werden. Am Ende werden die Produkte erst zugelassen und vermarktet, wenn der Nutzen des Präparats größer ist als die Risiken, die Patienten also eindeutig von dem Präparat profitieren.

Auch müssen die Inhaltsstoffe und alle möglichen Neben- und Wechselwirkungen in den Packungsbeilagen detailliert aufgeführt werden. Jede Nebenwirkung, die auftritt, wird behördlich erfasst. Stellt sich heraus, dass ein Präparat (auch nach Markteinführung) zu viele oder zu schwerwiegende Nebenwirkungen hat, wird es unmittelbar vom Markt genommen. [1]

Kosmetika sind dafür da, den Körper und die Schönheit zu pflegen, zu erhalten oder zu verbessern. Der Hersteller eines Kosmetikums muss vor dessen Vermarktung lediglich die Sicherheit für die Anwender erklären. Dazu reicht es aus, dass ein Sicherheitsbewerter die Verträglichkeit des Kosmetikums bei „bestimmungsgemäßer und vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung“ feststellt.

Angaben über die Wirkstoffmenge oder mögliche Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Präparaten müssen nicht gemacht werden. Es kann also passieren, dass man als Anwender nur über Foren und Produktbewertungen erfährt, wenn ein Kosmetikum Nebenwirkungen verursacht.

Wimpern- und Augenbrauenseren mit Prostaglandin-Analoga treffen genau in eine gesetzliche Grauzone. Sie beinhalten Wirkstoffe aus der Medizin/Pharmazie mit arzneimittelartiger Wirkung und teilweise einer Prostaglandin-Konzentration, die oberhalb der höchsten Dosierung von medizinischen Augentropfen liegt. Daher müssten sie streng genommen eigentlich als (Funktions-) Arzneimittel (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) behandelt, in klinischen Studien getestet und durch die Bundesoberbehörde zugelassen werden.

Stattdessen gelten sie als Kosmetika, müssen nicht an Probanden getestet werden und unterliegen nicht den strengen Richtlinien des Arzneimittelgesetzes (AMG). [1; 4; 5].

In der Konsequenz werden weder die Konzentration der Prostaglandin-Analoga in den Wachstumsseren, noch deren Nebenwirkungen und Langzeitschäden überwacht. Mit steigender Konzentration des Wirkstoffes steigt aber auch die Gefahr der Nebenwirkungen.

Das ist insbesondere bei Produkten interessant, die noch schneller und stärker wirken sollen. Im Internet werden oft aber gerade diejenigen Wimpernseren empfohlen, die besonders stark sind, d.h., eine besonders hohe Konzentration an Prostaglandin besitzen.

Zum Vergleich: Augentropfen mit dem „Ur-Wirkstoff“ Bimatrost sind bei uns in Deutschland ein rezeptpflichtiges Arzneimittel. Das amerikanische Wimpernwuchsmittel “Latisse” wurde von den Behörden (FDA) ebenfalls als Medikament eingestuft und wird nur bei diagnostizierten Wachstumsstörungen der Wimpern verschrieben.

Ist Prostaglandin gefährlich?

Quellen:

[3] Gesundheitsspiegel: Wimpernserum – Wundermittel oder Gefahr für die Augen?, http://www.gesundheitsspiegel.de/wimpernserum-wundermittel-oder-gefahr-fur-die-augen/, 17.05.2013

[5] DOZ: Wimperseren – Ein Angriff auf die Augengesundheit?, 25.01.2017

[6] Deutsche Apotheker Zeitung: Trabectedin – ein Alkaloid aus dem Meer, https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2007/daz-51-2007/neues-zytostatikum, 21.09.2017, 15:28

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